Ernst Müller hört auf – und dirigiert noch einmal für die HAZ-Weihnachtshilfe

Es ist nicht mehr lange hin, dann will er der musikalischen Bühne für immer Lebewohl sagen. Allerdings nennt Ernst Müller sein Abschiedskonzert am­ ­Sonntag, 15. Januar, viel lieber „Dankeschön-Konzert“. Denn: „Es gibt so viele Menschen und Institutionen, bei denen ich mich bedanken möchte“. Dann nennt der Musikdirektor aus Langenhagen beispielsweise die AWO aus Stadt und Region, für die er Dutzende Großkonzerte spielen konnte, unter anderem im Kuppelsaal.

Eines ist ihm da ganz besonders in Erinnerung geblieben: „Das im Jahr 1999 unter der Schirmherrschaft von Ernst August Prinz von Hannover und Prinzessin Caroline.“ Während des Gesprächs im Mövenpick am Kröpcke erzählt der Mann, der 1958 das Blasorchester der Stadt Langenhagen gegründet hat, von Verbindungen zu den Schützen der Stadt, außerdem zur Marktkirche, in der er mehr als 40 Weihnachtskonzerte gespielt hat. „Ich bin der Kirche sehr dankbar, dass sie mich in ihre Häuser gelassen hat.“

Für den Termin hat er nicht zufällig das Café am Kröpcke ausgesucht: Dem Haus ist Müller seit Mitte der 1970er-Jahre verbunden, jedes Jahr spielte er dort mit seinem Orchester das traditionelle Silvesterkonzert. „Da bin ich wie so ein Zirkuspferd, das immer gerne hierher zurückkehrt.“ Außerdem ist er seit Jahrzehnten mit dem früheren Mövenpick-Chef Dietmar Althof befreundet. Der schaut ebenfalls auf einen Kaffee vorbei – gewitzt wie immer: „Wenn er mich lässt, schwinge ich bei seinem letzten Konzert auch mal den Taktstock.“ Schließlich hat Müller den Gastronomen bereits des Öfteren gewähren lassen, die zwei haben die Silvester- und Neujahrskonzerte gemeinsam ausgeheckt.

Es sind aber nicht nur Höhen, durch die Müller und Althof gemeinsam gegangen sind, Tiefen gab es auch einige. Müller benennt beispielsweise seinen Nervenzusammenbruch, heute würde man Burn-out sagen. Das war im Jahr 2001. Ein Vierteljahr verbrachte er damals im Krankenhaus, in dieser Zeit wusste er auch Althof an seiner Seite: „In der Tragödie erkennt man wahre Freunde.“ Die schönen Zeiten überwiegen am Ende jedoch.

Ernst Müller hat Zehntausende Euros Spenden gesammelt

„Wenn man am Kröpcke spielt, kennt einen die Welt“, sagt Müller und lächelt. Und er hat die Welt kennengelernt: In all den Jahren, in denen er drei Orchester geleitet hat (das Blasorchester der Stadt Langenhagen, das Städtische Musikorps der Feuerwehr Hannover sowie das Orchester der Volkswagen AG) war er um die 60-mal auf Konzertreisen rund um den Globus. Dazu zählen neun Auftritte in Brasilien, fünfmal war Müller bei der Steuben Parade in New York dabei, außerdem war er mit seinen Musikern in China, Russland, Israel, Australien und Jordanien.

In dieser Zeit hat der ­83-Jährige 35 Platten veröffentlicht: „Ich habe sie aber nicht mehr alle“, sagt er mit einem Schmunzeln und gibt zu, selbst nur sieben Exemplare zu besitzen. Nicht nur mit seiner Musik hat Müller Geschichte geschrieben, der Mann kann unzählige Geschichten von Veranstaltungen und Persönlichkeiten erzählen: „Sie sind alle wahr! Für jede habe ich immer 50 Zeugen“, sagt der Musiker – denn mit so vielen Orchestermitgliedern war er stets unterwegs.

Da gibt es Erinnerungen an den einstigen Bundeskanzler Helmut Kohl, den er allein in Hannover ­16-mal getroffen hat. Für den Politiker spielte Müller dann „Der Jäger aus Kurpfalz“ – „es ist das Lied, bei dem Kohl seine erste Frau kennengelernt hat“, weiß Müller. Dann erzählt er von der Verbundenheit zum früheren Oberbürgermeister Herbert Schmalstieg. „Er hat mal 100 Schallplatten von mir gekauft und auf seiner Lieblingsinsel La Palma verteilt.“ Auch jetzt noch bekommt er von Schmalstieg und seiner Frau Heidi Merk jedes Jahr zu Weihnachten eine Postkarte mit den Worten „Und wieder hören wir Weihnachtsmusik von Ernst Müller“.

Seine Klänge gibt es also zum letzten Mal live am ­15. Januar in der Emmaus-Kirche am Sonnenweg 17 in Langenhagen, nur einen Steinwurf von Müllers Haus entfernt. Ab 16 Uhr hält der 83-Jährige noch mal den Taktstock, der Eintritt ist frei. Zwei Stunden will er musizieren („Es ist von allem etwas dabei“) und Anekdoten erzählen, außerdem seinen Nachfolger Harald Sandmann (54) vorstellen. Zehntausende Euro hat Müller bei seinen Konzerten für die HAZ-Weihnachtshilfe gesammelt. Auch beim letzten Konzert ist er wieder für die Spendensammlung aktiv.

Macht ihn der Abschied traurig? Müller atmet tief ein: „65 Jahre ein Orchester zu leiten, das kann nicht jeder von sich behaupten. Das ist eine lange Zeit, das war eine sehr schöne Zeit. Aber ich merke selbst, es geht nicht mehr, meine Gesundheit lässt es nicht mehr zu. Da darf man auch ruhig etwas traurig sein. Vor allem darüber, dass ich meine Kollegen nicht mehr sehe.“

Der Mann ist in der Region eine Institution, ganz gleich, ob man volkstümliche Musik mag oder nicht. Er wird fehlen. Dafür dürfte seine Familie in Zukunft deutlich mehr von ihm haben, neben seiner Frau Marlis (83) sind das die Töchter Dagmar (54) und Andrea (50). „Eine hat am­­ 1. Mai Geburtstag, die andere am 3. Oktober“, sagt er. „Das sind genau die Feiertage, an denen ich garantiert unterwegs gewesen bin.“ Hinzu kamen die Proben, zu Hochzeiten war er an vier Abenden die Woche weg. Seinen Lieben hat Müller nun versprochen, bei keiner Familienfeier mehr zu fehlen. Mögen es noch viele werden!

Von Mirjana Cvjetković

Author: Jan Sedelies

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