Max Fuchs hauste lange in einem Kellerloch. In der Corona-Pandemie verlor er seinen Job. Jetzt hat er eine neue Wohnung – und mit etwas Unterstützung kann er sein Leben wieder in den Griff bekommen. Ein Fall für die HAZ-Weihnachtshilfe.
Die Rattenfalle hat er behalten. Als Erinnerung an noch schlechtere Zeiten. Es ist ja auch noch gar nicht so lange her, dass er aus dem Keller ausziehen konnte. Max Fuchs (Name geändert) schüttelt den Kopf, wenn er daran zurückdenkt. „Eigentlich sollte die Bleibe dort nur für den Übergang sein“, sagt er, „aber dann habe ich Jahre lang dort gehaust.“
Die winzige Kellerwohnung, die bis vor ein paar Wochen seine Unterkunft war, lag in einem Gewerbegebiet. Zwei kleine Fenster mit Eisengittern, an denen Lastwagen vorbeifuhren. Eine Deckenhöhe von 1,90 Metern, das alles für 350 Euro warm. Nachbarn stellten ihren Müll vor seiner Tür ab. Wenn er lüftete, huschten schon mal Ratten in seinen Keller, die er mit der Lebendfalle fing. „Ich habe sie dann wieder freigelassen“, sagt der 59-Jährige. „Was hätte ich sonst mit ihnen machen sollen?“
Max Fuchs wuchs in Wettbergen auf, machte den erweiterten Realschulabschluss. Eine Ausbildung kam für ihn damals nicht infrage. „Ich wollte leben, gleich gutes Geld verdienen“, sagt er. Anfangs arbeitete er in einer Buchdruckerei. „Den Beruf gibt es heute praktisch gar nicht mehr“, sagt er. Als Roadie baute er Bühnen auf und ab. Für die Kelly Family und Wolfgang Petry. „Ich bin sogar bei den Rolling Stones mitgefahren“, sagt er stolz.
Kochplatte auf dem Fußboden
Er schlug sich mit verschiedenen Jobs durch. Mal als Parkwächter, mal als Nachtwächter. Ein einfacher Mann, der von seiner Hände Arbeit lebte. „Ich habe vieles gemacht“, sagt er. Er lernte auch eine Frau kennen, die Kinder mitbrachte. Ein bürgerliches Leben. Nach 14 Jahren scheiterte die Beziehung dann.
„Ich habe nicht viel retten können“, sagt Max Fuchs. Er schaut sich in seiner neuen Wohnung um. Der Fernseher steht auf dem Fußboden. Einen Schrank hat er nicht, seine Klamotten liegen im Schlafzimmer auf einem Haufen. In der Küche fehlen Spüle und Herd. Eine kleine Kochplatte und die Mikrowelle stehen auf der Erde. Den einzigen Stuhl in seiner Wohnung hat er nur, weil der Vormieter ihn beim Auszug dagelassen hat. Aus Kartons hat er sich Regale gebastelt. Ein Modellbauschiff, nostalgische Emailleschilder und ein Blümchen zeugen davon, dass jemand es sich hier wohnlich machen möchte.
Seit Oktober lebt er in dieser kleinen Wohnung in Linden. Für ihn ist das ein Neubeginn: „Ich bin sehr dankbar, dass ich sie bekommen habe“, sagt er. „Sie hat große Fenster, und man kann aufrecht stehen.“ Wie man etwas empfindet, hängt wohl auch davon ab, was man als Alternative vor Augen hat.
Ohne Arbeit kam die Einsamkeit
Max Fuchs sitzt auf dem Kühlschrank, als er die Geschichte seines Lebens erzählt. Nach der Trennung von seiner Partnerin fand er zwar eine neue Wohnung. Doch es gab Ärger zwischen ihm und dem Vermieter, darum kündigte er. „Ich dachte, dass ich rasch etwas Neues bekommen würde“, sagt er, „aber das war nicht so.“
Anfangs schlief er in der Jugendherberge oder billigen Hotels. „Aber das konnte ich bald nicht mehr bezahlen.“ Ein paar Nächte quartierte er sich sogar heimlich in dem Möbellager ein, in dem er seine Habseligkeiten zur Verwahrung abgegeben hatte. Und dann landete er im Kellerloch. Zu allem Überfluss verlor er zu Beginn der Corona-Pandemie auch noch seinen Job, nach 14 Jahren. „Seitdem bezieht er Sozialleistungen“, bestätigt der Sozialarbeiter, der ihn betreut.
„Ich hatte nie viel, also hatte ich auch nie viel zu verlieren“, sagt Max Fuchs, „aber wenn ein paar Hundert Euro jeden Monat fehlen, ist das trotzdem hart.“ Während der Pandemie besuchte er kaum Ämter. Um den Papierkram hatte sich früher immer seine Lebensgefährtin gekümmert. Und den Umgang mit Computern hat Max Fuchs nie gelernt. „Ich bin da ein spezieller Fall“, sagt er mit verlegenem Lächeln.
Dazu kommt, dass Freunde aus seiner Clique starben. „Ich hätte nicht gedacht, dass ich jemals so vereinsamen könnte“, sagt Max Fuchs. Am Ende verließ er seinen Keller kaum noch, war ganz alleine und mit seiner Situation heillos überfordert. „Ich war aufgeschmissen wie ein kleines Kind“, sagt er, „mir ging es richtig scheiße.“
Er hat wieder Hoffnung
Es fiel ihm nicht leicht, sich Hilfe zu suchen. „Wer will schon eingestehen, dass er es alleine nicht gebacken kriegt“, sagt er. Eines Tages ging er dann doch zu einer Einrichtung, die Obdachlose unterstützt. Dort half man ihm, beim Arbeitslosengeld und mit der Krankenkasse. Und er bekam diese Wohnung. „Hier blühe ich richtig auf“, sagt er lächelnd.
Leider habe es im Lager, das seine Möbel verwahrte, einen Besitzerwechsel gegeben, erzählt er. Weil er zeitweilig keine Meldeadresse hatte, erfuhr er nichts davon. Ein Großteil seiner Habe wurde einfach entsorgt. „Darum habe ich weder Schrank noch Tisch“, sagt er. Ein unmöbliertes Leben. Oder, ins Optimistische gewendet, ein Leben, das Max Fuchs allmählich wieder möblieren kann.
Er selbst hat wieder Hoffnung geschöpft. Eine Matratze hat er sich immerhin schon gekauft und auf Euro-Paletten gelegt, und Bettzeug hat er inzwischen auch. „Die Krankenkasse hat mir außerdem neue Zähne bezahlt“, sagt er. „So wie mein Gebiss vorher aussah, hätte ich nirgends Arbeit bekommen.“
Anschaffungen wie eine eigene Waschmaschine sind für ihn praktisch unerschwinglich. „Ich bekomme Hartz IV, da bleibt nicht viel übrig“, sagt er. Mit ein bisschen Hilfe könnte sich sein Leben aber wieder zum Guten wenden. Am meisten wünscht er sich, dass er wieder soziale Kontakte bekommt. „Auch deshalb will ich Arbeit finden, vielleicht irgendwo im Lager – nur nichts mit Computern“, sagt er. Er wäre schon mit wenigem zufrieden: „Ich will ein geregeltes Leben haben.“
Von Simon Benne