Ihr Abschluss aus Afrika wird nicht anerkannt. Mit eisernem Fleiß kämpft sich eine allein erziehende Mutter nun noch einmal durch die Ausbildung zur Krankenschwester – doch ein großer Teil ihres Lohns fließt in die Betreuung ihrer Kinder. Ein Fall für die HAZ-Weihnachtshilfe.
Manchmal teilt ein einziger Tag das Leben in ein Davor und ein Danach. Bei Anna Eke (Name geändert) war es der 14. September 2014. An diesem Tag kam sie in Deutschland an und ließ ihr altes Leben hinter sich.
Schon daheim in Afrika war sie immer ihren eigenen Weg gegangen, allen Widerständen zum Trotz. Sie wuchs dort in einem Dorf auf. „Bei uns bleiben Frauen eigentlich bis zur Heirat im Elternhaus wohnen“, sagt sie. Doch obwohl ihr konservativer Vater das gar nicht gern sah, zog sie alleine in die Großstadt. Unbedingt wollte sie dort eine Ausbildung zur Krankenschwester machen. „Ehrlich gesagt auch das deshalb, weil mir die schicken Uniformen so gut gefielen“, sagt sie und lacht herzerfrischend. Die 33-Jährige lacht oft, obwohl der Alltag in ihrem zweiten Leben in Deutschland oft hart ist.
Seit fünf Jahren in Hannover
Ihre kleine Wohnung irgendwo in der Region Hannover ist spärlich möbliert. Die gebrauchten Schränke fallen teils fast auseinander; Bilder ihrer Kinder sind der einzige Schmuck an den Wänden. Die Ausbildung zur Krankenschwester absolvierte sie in Afrika in einer großen Klinik als eine der besten ihres Jahrgangs. Sofort bekam sie eine Stelle und arbeitete fünf Jahre lang dort. Dann lernte sie einen Mann aus Deutschland kennen – und wurde schwanger. „Das war keine leichte Zeit mit meiner Familie“, sagt sie und wirkt für einen Moment sehr ernst.
Damals ließ sie alles hinter sich zurück und zog zu dem Deutschen nach Hannover. Eben an jenem 14. September 2014. Hier wurden ihre zwei Söhne geboren. „Die Beziehung hat aber nicht gehalten“, sagt sie. Anna Eke lernte jedoch rasch gut Deutsch. „Ohne Sprache kann man schließlich gar nichts erreichen“, sagt sie. Sie fand Anschluss an eine Kirchengemeinde; knüpfte über den Kindergottesdienst Kontakte. Und sie suchte sich Arbeit, zunächst als Pflegehelferin in einem Altenheim. Dann wollte sie wieder als Krankenschwester arbeiten – doch das war nicht so einfach möglich.
Viel Lob im Job
„Obwohl ihre praktische Qualifikation gut ist, werden große Teile ihrer Ausbildung in Deutschland nicht anerkannt“, sagt Uwe Ballstädt, der Sozialarbeiter, der sie betreut. Anna Eke muss als allein erziehende Mutter nun die dreijährige Lehrzeit wiederholen – und ist mit 33 Jahren wieder Auszubildende. Im Monat verdient sie 845 Euro netto. Dazu kommen Kindergeld und Unterhaltszahlungen des Vaters – und das Jobcenter zahlt ihr 188 Euro im Monat dazu. „Ich muss ständig sparsam sein – einen Urlaub beispielsweise könnten wir uns niemals leisten, und Spielzeug kaufe ich nur gebraucht“, sagt sie.
In der Ausbildung bekommt sie viel Lob; ihre sechsmonatige Probezeit und die Prüfungen hat sie mit Bravour bestanden. „Der Kontakt mit Menschen macht mir Spaß, man ist immer in Bewegung“, sagt die quirlige junge Frau. Und doch hat sie das Problem, das viele Alleinerziehende haben: Sie muss ständig kämpfen, um Kinder und Job unter einen Hut zu bekommen – und die Kosten für die Kinderbetreuung fressen einen großen Teil ihres Lohns gleich wieder auf.
Babysitter kostet viel Geld
Um ein Kind zu erziehen, braucht es ein ganzes Dorf, sagt man in Afrika. Anna Eke weiß, wie wahr das ist – weil sie dieses Dorf nicht hat und weil Kinder in Deutschland ein Armutsrisiko sind. „Hier ist alles erlaubt, jeder hat die Freiheit, alles zu tun“, sagt sie. Im Umkehrschluss fehlen hier allerdings auch die festen Bindungen; es gibt weniger Sicherheit als in einer afrikanischen Großfamilie, in der sich immer jemand findet, der auf die Kinder aufpasst.
Anna Eke arbeitet Vollzeit in einem Krankenhaus . „Ich stehe jeden Tag um 4 Uhr auf“, sagt sie. Dann beugt sie sich über ihre Lehrbücher, ehe sie Frühstück für ihre Söhne macht. „Lernen kann ich nur, wenn die Kinder schlafen“, sagt sie, „und abends bin ich zu ausgepowert.“
Wenn Sie Frühdienst hat, kommt der Babysitter um 5 Uhr. Wenn Sie Spätdienst hat, bleibt der Babysitter bis 21 Uhr. Und wenn sie an Wochenenden und Feiertagen arbeitet, kommt der Babysitter zusätzlich. „Mit Kindern ist es eben schwierig“, sagt sie, als müsste sie sich dafür entschuldigen. Rund 250 Euro im Monat zahlt sie für die private Kinderbetreuung. „Wenn sie nicht arbeiten gehen würde, stünde sie unterm Strich finanziell besser da“, sagt Sozialarbeiter Ballstädt.
„Ich will auf eigenen Füßen stehen“
Für Anna Eke ist das jedoch keine Option. „Ich will nicht ein Leben lang vom Jobcenter abhängig sein“, sagt sie kämpferisch. „Ich möchte auf eigenen Füßen stehen – und dafür muss ich jetzt eben drei Jahre lang die Zähne zusammenbeißen.“ Wenn man mit ihr spricht, spürt man etwas von ihrem eisernen Aufstiegswillen. „Sie ist enorm fleißig, zeigt große Selbstdisziplin – und hat den Ehrgeiz, sich nicht unterkriegen zu lassen“, sagt ihr Sozialarbeiter.
Im Alltag verliert sie ihr Ziel dennoch manchmal aus dem Blick. Dann ist sie müde, und sie realisiert, wie wenig sie ihren Kindern bieten kann, denen sie doch einmal eine bessere Zukunft ermöglichen will. Sie zeigt das winzige Zimmer, das die beiden Jungen sich teilen. „Ein Etagenbett wäre schön“, sagt sie, „so könnte man Platz sparen.“ Der Große wird bald in die Schule kommen, dann braucht er auch einen Schreibtisch, an dem er lernen kann. Sie selbst will mit ihrer Ausbildung in gut zwei Jahren fertig sein. „Ich war schließlich schon einmal vollwertige Krankenschwester“, sagt sie entschlossen, „und ich werde wieder eine sein.“
Von Simon Benne