„Hoppla, das ist mein Leben“

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Der Pianist David Theodor Schmidt gibt am Sonntag ein Konzert für die HAZ-Weihnachtshilfe. HAZ-Redakteurin Jutta Rinas hat den Künstler interviewt.

Herr Schmidt, Sie sind ein erfolgreicher deutscher Pianist. Das ist heute fast schon eine Seltenheit. Warum?

Ich glaube, dass es heute insgesamt nicht mehr so viele Pianisten gibt, die sich dauerhaft einen Platz auf der Bühne erspielen können. Das hat mit der Schnelllebigkeit der Zeit zu tun. Zudem gibt es in Russland oder China einfach viel mehr Kinder, die Klavier spielen lernen. Da ist es klar, dass mehr Pianisten auf die Bühne drängen, trotz der größeren kulturellen Nähe Deutschlands zu klassischer Musik.

Wie kamen Sie zum Klavierspielen?

So wie viele Kinder heute. Meine Eltern meinten, etwas musikalische Bildung gehört dazu. Also bekam ich mit 7, 8 Jahren Unterricht. Ich habe das anfangs gar nicht so begeistert betrieben. Mehr als 10 Minuten am Tag habe ich nicht geübt.

Dabei muss früh klar gewesen sein, wie begabt Sie sind. Gab es deshalb gar keinen Druck?

Es waren alle ein bisschen betrübt, dass ich so faul war. Aber Druck gab es nicht.

Ein gutes Instrument soll Ihren Gesinnungswandel bewirkt haben?

Stimmt. Ich war mit 13 oder 14 bei Verwandten mit einem wunderschönen Flügel in den USA zu Besuch. Da bekam ich zum ersten Mal eine Ahnung davon, was an Klangfarben, an Ausdruck möglich ist. Da wollte ich immer tiefer eindringen. Plötzlich merkte ich: Hoppla, das ist mein Leben.

Ihr Programm für das HAZ-Weihnachts-hilfe-Konzert ist von Bachs Werken bestimmt. Der Komponist prägt schon lange Ihre Karriere. Warum?

Ich habe immer viel Bach gespielt. Ähnlich begeistert bin ich aber von der deutsch-österreichischen Klassik. Bach ist für mich nicht der Komponist, aber einer, der zentral ist. Seine Musik verbindet Intellekt, Emotion und tiefes spirituelles Gedankengut. Sie spricht mich im Innersten an.

Spielt dabei eine Rolle, dass Ihre Eltern Theologen sind?

Es gibt da eine gewisse Kompatibilität des geistigen Hintergrunds. Ich bin mit Bachs Musik aufgewachsen.

In Hannover spielen Sie aber Bach- Bearbeitungen, „Nachdichtungen“, von Busoni, Kempff und Myra Hess. Warum?

Der Begriff der Nachdichtung stammt von Busoni. Er beschreibt, was meisterhafte Bearbeitungen ausmacht: Die Essenz der Musik wird nicht verfälscht, erhält aber durch die Übertragung auf das Klavier einen ganz eigenen, klanglichen Zauber. Ich habe mit 18, 19 Jahren entdeckt, wie sehr mich Klavierbearbeitungen emotional ansprechen. Das begleitet mich bis heute.

Sie sind Jahrgang 1982, derselbe Jahrgang wie Lang Lang, für den Klavierabende immer einen gewissen Eventcharakter haben. Was halten Sie davon?

Es ist die Frage, wie man Eventcharakter definiert. Ich denke auch, dass ein Klavierabend etwas Besonderes sein muss. Der Besucher zieht sich dafür ja auch etwas Schönes an. Aber mit dem Showcharakter von Klassik tue ich mich persönlich schwer. Ich möchte keine Kunststücke vorführen, sondern Kunstwerke, die das Publikum berühren.

Sie sind ein deutscher Pianist und spielen fast nur deutsch-österreichisches Repertoire: Bach, Brahms, Schumann, Schubert. Muss man sich heute so positionieren, um Erfolg zu haben?

Man muss es nicht. Aber man muss sich mit der Musik beschäftigen, mit der man sich tief verbunden fühlt, mit der man etwas zu sagen hat. Ich denke nicht, dass man zu jeder Musik denselben Bezug hat. Und natürlich kann man sich als Deutscher auch zu Rachmaninow hingezogen fühlen. Aber das ist keine Musik, die mich im Innersten anspricht.

Wie entwickeln Sie heute, wo man nahezu jedes Werk massenhaft im Internet findet, Ihre Interpretationen? Myra Hess kann man mit der Bearbeitung des Bachchorals „Jesus bleibet meine Freude“ auf YouTube erleben. Dabei ist sie 1965 gestorben.

Es stimmt, wir können uns mittlerweile drei große Pianistengenerationen anhören. Das hat mich auch geprägt. Während ich allerdings ein Stück einstudiere und auf der Suche nach meiner Auffassung bin, benutze ich das nicht. Das ist nicht hilfreich.

Wann dann?

Wenn man zum Beispiel auf Aufnahmen sieht, wie Claudio Arrau am Klavier sitzt – und wie ganz anders dagegen Murray Perahia. Claudio Arrau sitzt deutlich tiefer, gräbt sich förmlich in die Klaviatur hinein und erzeugt auch dadurch seinen vollen, tiefen Klang. Murray Perahia sitzt höher – sein Klavierspiel klingt entsprechend heller.

Sie wollen gültige Interpretationen abliefern. Geht das heute überhaupt noch?

Dass etwas Gültigkeit hat, bedeutet nicht, dass es in Stein gemeißelt ist. Aber wenn ich ein Stück im Konzert spiele oder aufnehme, muss ich das Gefühl haben, so und nicht anders ist es künstlerisch richtig. Das gilt nicht absolut, sondern für mich und den Moment.

David Theodor Schmidts Konzert (mit von Marcel Zuschlag gelesenen Texten) bei Hannover Rück an der Karl-Wiechert-Allee 57 beginnt am Sonntag, 18 Uhr. Karten gibt es exklusiv in der HAZ-Geschäftsstelle an der Langen Laube 10. Sie kosten 20 Euro, für AboPlus-Karten-Inhaber gibt es Vergünstigungen. Sämtliche Einnahmen werden direkt der HAZ-Weihnachtshilfe gespendet.

Author: Michael Soboll

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