Das älteste seiner vier Kinder fragte ihn vor ein paar Tagen, ob sie nicht doch noch ein letztes Mal in ihre Wohnung zurück könnten. Nur um zu schauen, ob die Playstation vielleicht doch unbeschadet geblieben ist. „Aber da ist nichts mehr zu retten“, sagt Janusz Kowalski (Name geändert) und schüttelt bitter den Kopf. „Was Rauch und Feuer nicht zerstört haben, hat das Löschwasser vernichtet.“ Wie soll man so etwas einem siebenjährigen Kind erklären?
Der 29-Jährige sitzt in der Wohnung einer Bekannten, als er seine Geschichte erzählt. Der Tag, der alles veränderte, liegt erst ein paar Wochen zurück. Der alleinerziehende Vater hatte mit den Kindern in ihrem Zuhause irgendwo in der Region Hannover einen Disney-Film geschaut und sie dann ins Bett gebracht, als er bemerkte, dass etwas nicht stimmt..
„Das Dach unseres Hauses stand in Flammen, überall war Rauch“, sagt er. Er rief die Feuerwehr, das Haus wurde evakuiert – und er stand mit den Kindern buchstäblich auf der Straße. Sie hatten nur gerettet, was sie am Leib trugen. „Gott sei Dank hatte ich das Feuer rechtzeitig bemerkt“, sagt er leise, „sonst wären wir alle verbrannt.“
Familie hatte es nie leicht
Auf seinem Handy hat er Fotos von dem, was einmal seine Wohnung war. Eine verkohlte Waschmaschine. Eine Küche voller Schutt und Asche. Holzlatten, die wie schwarze Rippen in den Raum ragen.
Janusz Kowalski ist ein großer, kräftiger Mann. Doch wenn er von diesem Tag erzählt, rudern seine Arme nervös in der Luft. Er spricht sprunghaft, und manchmal lacht er selbst wie ein Kind. Man spürt, dass dieser Schicksalsschlag nicht spurlos an ihm vorübergegangen ist.
„Wir haben alles verloren“, sagt er. Haushaltsgeräte und Kleidung, Laptop und Familienfotos, Bargeld und Schulsachen – alles weg. Erste Ermittlungen ergaben, dass es wohl einen technischen Defekt in einer Zwischendecke gegeben habe und das Feuer dann rasch auf den Dachstuhl übergesprungen sei.
Der Brand traf eine Familie, die es ohnehin nie leicht gehabt hat. Janusz Kowalski wuchs in Polen in schwierigen Verhältnissen auf. „Mein Vater war Alkoholiker“, sagt der Oberschlesier. Seine Mutter habe ihn allein großgezogen. „Ich habe ihr viele Probleme gemacht“, bekennt er selbst im Nachhinein.
Er kam aus Polen nach Hannover
Er brach irgendwann die Schule ab, jobbte als Lagerarbeiter und Autowäscher. Und weil er in seiner Heimat keine Perspektive für sich sah, wagte er vor neun Jahren den großen Sprung nach Deutschland. Anfangs war er an verschiedenen Stellen in der Zeitarbeit tätig, dann bekam er einen festen Vertrag in einer Fabrik. „Eine richtig gute Arbeit“, sagt er.
Der passionierte Sportler lernte auch eine Frau kennen. Obwohl sie selbst noch jung waren, bekamen sie rasch vier Kinder. Heute sind diese zwischen zwei und sieben Jahre alt. „Es hat gut funktioniert in Deutschland“, sagt er.
Doch dann kamen die Schwierigkeiten. Die Beziehung zerbrach, die Kinder wurden zeitweise bei Pflegefamilien untergebracht. Derzeit läuft ein juristischer Streit um das Sorgerecht mit seiner früheren Partnerin. Doch drei der vier Kinder leben mittlerweile wieder bei ihm.
„Ich habe meine Arbeit aufgegeben, um für sie da sein zu können“, sagt Janusz Kowalski. Schon vor dem Feuer war er auf Bürgergeld angewiesen, um sie über die Runden zu bringen. Im nächsten Jahr komme das jüngste Kind aber in die Kita: „Dann kann ich mir wieder eine Arbeit suchen“, sagt er.
Eine Freundin nahm sie auf
Noch in der Brandnacht holte eine Freundin die Kinder zu sich. Sie nahm die Familie in ihrer eigenen Wohnung auf. Bis heute wohnen die Kowalskis provisorisch dort. „Wir haben noch Glück im Unglück gehabt“, sagt der 29-Jährige dankbar.
Inzwischen gehen die älteren Kinder wieder in die Schule und die Kita. „Sie brauchen jetzt einen stabilen Alltag“, sagt der Vater, „es wäre nicht gut, wenn sie nur zu Hause sitzen würden.“
Nachdem er seine Geschichte erzählt hat, geht er vor die Tür. Eine rauchen. Es ist kalt an diesem Morgen, doch er trägt nur einen Kapuzenpulli. „Eine Jacke habe ich nicht“, sagt er, als müsste er sich dafür entschuldigen.
„Die Familie braucht jetzt vor allem Kleidung und Schulsachen, um den Alltag wieder bewältigen zu können“, sagt der Sozialarbeiter, der die Kowalskis betreut. Außerdem bräuchten sie Geld, um sich einen neuen Hausstand aufzubauen. Darum hat Janusz Kowalski die HAZ-Weihnachtshilfe um Unterstützung gebeten.
„Sachen für die Kinder sind jetzt das Wichtigste, ich komme erst danach“, sagt der Vater. Er sucht auch nach einer neuen Wohnung. „Das Leben muss ja weitergehen“, sagt er, „aber leicht ist es nicht, wieder von vorne anzufangen.“
Fragt man Janusz Kowalski nach seinen Träumen, dann hat er drei Wünsche. Er würde gerne wieder eine Frau finden. Und einen sicheren Job. „Und ich möchte mit meinen Kindern wieder in einer eigenen Wohnung leben.“ Es ist der Traum von einem ganz normalen Leben.
Von Simon Benne