Die Eltern des kleinen Linus sind geistig leicht behindert. Um ihren Sohn kümmern sie sich liebevoll – doch Geld für Spielzeug oder Ausflüge ist knapp. Ein Fall für die HAZ-Weihnachtshilfe.
Von Simon Benne
Ein fester Händedruck. Ein großer Mann mit einem breiten Kreuz. „Ich bin Karl“, sagt Karl mit kräftiger Stimme, als er die Wohnungstür öffnet. Auf dem Regal hier stehen Pokale, die er geholt hat. Solange sein Knie noch mitmachte, hat er Fußball gespielt. Ein Stürmer. „In meiner Mannschaft war ich 2014 Spieler des Jahres“, sagt der 35-Jährige stolz. Mehrmals war er bei den Special Olympics dabei, den Wettkämpfen für Menschen mit geistiger Behinderung.
Karl Hapke (Namen geändert) ist ein Mann wie ein Bär. Niemand, den ein Abwehrspieler gerne auf sich zulaufen sieht. Aber sein Blick ist offen und sein Lächeln freundlich. So erzählt er seine Geschichte. Obwohl er eigentlich nicht viel Überflüssiges spricht.
Er wuchs im Umland von Hannover auf. „Es war schwierig“, sagt er nur. Als er Kind war, wurde bei ihm eine leichte Lernschwäche diagnostiziert. „Im Unterricht kam ich nicht so gut mit.“ Er besuchte eine Schule für Menschen mit Behinderung. Als er dort abging, muss er etwa 17 Jahre alt gewesen sein, ganz genau weiß er es nicht mehr.
Kein Job auf dem Arbeitsmarkt
Zwei Jahre arbeitete er in einer Werkstatt für Behinderte im Gartenbereich. „Ich habe viel mit Pflanzen gemacht, Teiche angelegt und Gewächshäuser gebaut – das hat Spaß gemacht“, sagt er. Auf dem freien Arbeitsmarkt fand er danach aber keine Stelle. Er bewarb sich, doch es kamen nur Absagen. Einmal machte er ein Praktikum in einer Gärtnerei. Aber daraus wurde nicht mehr. Warum nicht? Karl Hapke sucht nach einer Antwort. „Du warst dem Chef wohl nicht schnell genug“, sagt seine Frau ruhig.
Karl Hapke hat Silke in der Werkstatt kennengelernt, in die er schließlich zurückkehrte. Sie arbeitet dort bis heute in der Wäscherei, die beiden wurden bald ein Paar. An den Wänden hängen Fotos von ihnen; Selfies, auf denen sie glücklich in die Kamera lächeln. Seit sechs Jahren sind sie verheiratet. Sie ergänzen sich gut. Wenn er das passende Wort nicht sofort findet, springt sie für ihn ein – es ist ein blindes Verstehen.
Auch er arbeitet bis heute in der Werkstatt einer großen sozialen Einrichtung. Er war eine Zeit lang in der Tischlerei, inzwischen hat er halbtags in der Montage mit technischen Geräten zu tun, deren Rohstoffe recycelt werden. Vielleicht wird er eines Tages in einem Café eingesetzt, in der Gastronomie. Bedienen, Abräumen, Tische decken. „Das fände ich noch besser“, sagt er.
„Sehr liebevolle Eltern“
Die Wohnung der Hapkes ist liebevoll dekoriert. Kerzen stehen auf dem Tisch, Modellautos in einer Vitrine, Hannover-96-Bälle auf dem Regal. An der Tür hängen gemalte Kinderbilder. Beide haben gesetzliche Betreuer, obwohl sie im Alltag sehr selbständig leben. Sozialarbeiter unterstützen sie im Rahmen des ambulanten betreuten Wohnens. „Sie helfen uns beim Papierkram“, sagt Silke Hapke, „zum Beispiel, wenn von der Schule etwas kommt, das kompliziert geschrieben ist.“
Vor sechs Jahren wurde Linus geboren, inzwischen geht er in die Grundschule. Ihr absolutes Wunschkind. Wenn sie über ihren Sohn sprechen, lächeln beide Eltern. Linus ist ihr Glück und ihr Stolz. „Er war ein ganz pflegeleichtes Baby“, sagt seine Mutter, „er hat wenig geschrien.“ Sie blieb nach der Geburt zwei Jahre daheim, ihr Mann nahm sich drei Monate Elternzeit. „Die waren viel zu schnell rum“, sagt Karl Hapke und lacht.
„Die Eltern kümmern sich sehr liebevoll und fürsorglich um ihren Sohn und fördern ihn so gut es irgend geht“, sagt der Sozialarbeiter, der die Familie begleitet.
Ein wissbegieriger Junge
Die Lehrerin sagt, dass Linus in der Schule gut mitkommt. „Er ist fit, spricht gut und versteht viel für sein Alter“, sagt seine Mutter, „ein wissbegieriger Junge.“ Im Mathetest hat er kürzlich fast die volle Punktzahl bekommen. Nachmittags ist er im Hort. „Da machen sie interessante Sachen“, sagt Silke Hapke, „er bekommt dort auch Hilfe bei den Hausaufgaben und lernt unheimlich viel.“
Die Eltern leben vor allem von Grundsicherung; ein wenig verdienen sie mit ihrem Einkommen in der Werkstatt dazu. „Viel leisten können wir uns nicht“, sagt Silke Hapke. Ihre Möbel haben sie teils über E-Bay-Kleinanzeigen bekommen. Sie kaufen so billig ein, wie es geht. Gut, dass Linus unter der Woche Mittagessen im Hort bekommt. Gerne würde die Familie einmal in den Urlaub fahren; bei Ausflügen gemeinsam etwas erleben. „Aber das ist kaum drin“, sagt die Mutter.
Am liebsten spielt Karl Hapke mit seinem Sohn Fußball, oder sie sind gemeinsam mit dem Fahrrad unterwegs. Er baut Lego-Modelle mit ihm, und sie beschäftigen sich mit den Plus-Plus-Steckbausteinen, die Linus im Kindergarten kennengelernt hat. Gerne würden die Eltern ihm zu Weihnachten weitere Steine schenken. „Und eigentlich bräuchte er auch ein größeres Fahrrad“, sagt seine Mutter.
Es fehlt Linus’ Eltern vor allem an solchen materiellen Dingen. Dafür hat der Junge in ihnen liebevolle Begleiter, bis sie seine Hände auf dem Weg ins Erwachsenwerden irgendwann loslassen müssen. Auf dem Flur vor Linus’ Zimmer hängen Holzschilder mit Sinnsprüchen. Einer von diesen wirkt wie gemacht, um Kinder zu ermutigen: „Geh deinen eigenen Weg.“