Robert Paul war Altenpfleger. Jetzt ist er selbst 80 Jahre alt, schwer krank – und nach einer teuren Therapie könnte der Kauf eines E-Rollstuhls am Geld scheitern. Ein Fall für die HAZ-Weihnachtshilfe.
Es dauert ein wenig, bis Robert Paul (Name geändert) die Tür öffnet. Mit dem Rollator bewegt er sich langsam in seiner kleinen Wohnung. Der 80-Jährige ist gesundheitlich schwer angeschlagen. „Alles fällt mir schwer“, sagt er, als er sich auf einen Stuhl fallen lässt. Und es klingt fast wie eine Entschuldigung.
Das Kreuz sei kaputt, sagt er, die Schultern auch. Die Finger zu koordinieren fällt ihm schwer, und auch Knie, Bandscheibe und Prostata machen ihm zu schaffen. Vor drei Jahren überstand er eine Bypassoperation. „Ich bin austherapiert“, sagt er illusionslos.
Früher hat er selbst anderen geholfen. Als Altenpfleger hat er gearbeitet, mehr als 25 Jahre lang, ehe er mit 62 in Frührente musste, weil es körperlich nicht mehr ging. „Oft war ich an Wochenenden im Einsatz, fast nie war ich krank“, sagt er stolz. Paul war immer ein Machertyp. Jemand, der immer viel bewegt hat, der selbst viel einstecken konnte – und der jetzt umso stärker damit hadert, dass Schmerzen ihn zermürben und dass er seinerseits Unterstützung braucht.
Ein Dresdener in den USA
Wenn der kontaktfreudige alte Herr von seinem Leben erzählt, spürt man, wie viel Energie noch immer in dem gebrechlichen Körper steckt. Paul wuchs in Dresden auf, bis heute schwärmt er von der Frauenkirche und dem Elbsandsteingebirge dort. Als junger Maurer half er einst, die kriegszerstörte Stadt wieder aufzubauen. Er wollte aber nicht zur Nationalen Volksarmee der DDR – und darum floh er noch vor dem Mauerbau in den Westen. Der junge Mann, der von Freiheit träumte, wanderte in die USA aus.
„In Amerika rollt dir niemand einen roten Teppich aus“, sagt er. Aber er schlug sich durch. In der feuchten Hitze einer Gummifabrik schuftete er für 1,25 Dollar die Stunde. „Abends konnte ich mir das Salz von der Haut abkratzen, so sehr habe ich geschwitzt“, sagt er. Noch heute fließen manchmal amerikanische Wörter in seine Rede ein. Sieben Jahre lang lebte er in New Jersey, er wurde sogar US-Bürger. Dann kehrte er aus familiären Gründen zurück nach Deutschland.
Der passionierte Jazz-Fan kann lange über Tempi und Phrasierung bei Cole Porter und Duke Ellington philosophieren. Im Regal stehen Bücher über US-Politik, an der Wand zwischen den Zinntellern hängt ein Foto, das ihn mit seiner Lebensgefährtin zeigt. „Eine wunderbare Frau, sie arbeitete wie ich in der Altenpflege“, sagt er mit dem Anflug eines Lächelns.
Die Therapie kostete viel Geld
Mit der Frau an seiner Seite hatte er gute Jahre. „Wir sind durch ganz Deutschland gereist, auch New York habe ich ihr gezeigt – ich bin ja Weltbürger“, sagt er, als wollte er betonen, dass sein Radius nicht immer so klein war, wie er heute ist. Als seine Lebensgefährtin krank wurde, pflegte er sie intensiv, über Jahre hinweg. Bis sie vor zehn Jahren starb.
Paul bekommt kein Geld vom Staat. Keine Grundsicherung, kein Hartz IV. Er lebt von seiner hart erarbeiteten Rente – immerhin 1264 Euro im Monat. „Das mag nicht viel sein, aber im Alltag reicht es“, sagt er. Dass er dennoch finanzielle Probleme hat, hängt damit zusammen, dass er unter offenen Beinen litt. Die Spuren davon sind in der Haut noch immer zu sehen. „Eine besondere Therapie hat mich geheilt“, sagt er, „aber die Krankenkasse hat die Kosten nicht übernommen.“ Mehr als 5000 Euro Schulden habe er noch abzubezahlen. „Aber ohne die Behandlung würde ich nicht mehr leben“, ist er überzeugt.
„Ich brauche keinen Luxus“
Die große Anschaffung, die jetzt fällig ist, kann er sich darum nicht mehr leisten. Robert Paul braucht einen E-Rollstuhl. „Damit kann ich meine Einkäufe selbst machen“, sagt er. Das ist jenes Stück Freiheit, um das er heute kämpft. Den Kauf des Rollstuhls hat die Krankenkasse schon genehmigt. Allerdings braucht der Rentner auch einen Stromanschluss und einen kleinen Unterstand für das Gefährt vor seiner Haustür – die Kosten dafür liegen bei insgesamt 1700 Euro.
„Die HAZ-Weihnachtshilfe ist für ihn die einzige Chance, eine solche Investition zu stemmen“, sagt die Sozialarbeiterin, die ihn begleitet. „Das würde ihm helfen, seine Mobilität zu erhalten.“ Damit, dass er seine geliebte Heimatstadt Dresden wohl nicht noch einmal wiedersehen wird, hat Paul sich abgefunden. Eine solche Reise könnte er allein nicht mehr bewältigen, sagt er. Den E-Rollstuhl aber hätte er doch gerne. „Ich brauche keinen Luxus“, sagt er. „Aber ich möchte mir das bewahren, was ich an Lebensqualität noch habe.“
Von Simon Benne