Er kam aus Jordanien, um in Deutschland zu studieren. Dann machte eine tückische Krankheit alle Pläne zunichte. Doch Hassan Mahssere kämpft um seine Zukunft. Ein Fall für die HAZ-Weihnachtshilfe.
In seinem winzigen Wohnheimzimmer gibt es kaum etwas Überflüssiges. Im Regal liegt ein Wörterbuch, auf dem Nachttisch türmen sich Unmengen von Medikamenten. An der Wand hängen Bilder seiner Familie. Die Eltern, seine vier Geschwister in Jordanien, Urlaubsfotos aus Ägypten. Eine Aufnahme zeigt ihn selbst als stattlichen Mann mit reiner, gesunder Haut. „Das bin ich“, sagt Hassan Mahssere (Name geändert), weil er weiß, dass man ihn auf dem Foto nicht erkenne würde, obwohl es erst vier Jahre alt ist.
Heute ist sein Gesicht von roten Furchen und Kratern durchzogen und mit Pickeln übersät. Der 26-Jährige wirkt ausgezehrt. Dabei steckte er voller Pläne, als er vor fünf Jahren aus der jordanischen Hauptstadt Amman nach Deutschland kam. Er kam nicht als Flüchtling; der Sohn eines Bauunternehmers wollte hier studieren. Bauingenieur. „Ich wollte in Deutschland etwas lernen und danach wieder in unseren Familienbetrieb einsteigen“, sagt er.
Weil sein jordanisches Abitur nicht anerkannt wurde, besuchte er zunächst ein Studienkolleg in Dresden. Dort wurde er krank. Ein Pickel im Gesicht, dachte er. Als dieser immer größer wurde, verschrieb der Hautarzt ihm Antibiotika. Doch dann kamen Probleme mit der Leber dazu, und nach vier Wochen im Krankenhaus bekam er die Diagnose: Acne inversa. Eine Autoimmunkrankheit, von der er noch nie gehört hatte. Es war der Beginn eines Leidensweges.
Die tückische Krankheit lässt immer neue, größere Knoten auf seiner Haut wachsen. In der Leistengegend, im Gesicht, am Po. „Ich hatte schon Entzündungen, die waren so groß wie ein Apfel“, sagt der 26-Jährige, der unter permanenten Schmerzen leidet. Auf dem Handy zeigt er Bilder von gewaltigen Wunden. Sechs Operationen hat er schon über sich ergehen lassen, die letzte erst vor wenigen Tagen. Mindestens zweimal täglich kommt jetzt der Pflegedienst ins Studentenwohnheim, um ihn zu verbinden.
Hassan Mahssere spricht gut deutsch. Ein ebenso intelligenter wie höflicher junger Mann, der seiner Krankheit illusionslos, aber tapfer begegnet. Er weiß, dass noch viele Operationen folgen dürften und dass er die Krankheit vermutlich sein ganzes Leben lang nicht wieder los wird. „Vielen Erkrankten geht es noch schlechter“, sagt er. Im Internet tauscht er sich mit anderen Betroffenen aus. Er kennt Geschichten von Menschen, die durch Acne inversa alles verloren haben: Jobs, Geld, Beziehungen.
In seinem Fall hat die Krankheit gravierende finanzielle Folgen. In seiner ersten Zeit in Deutschland war er noch nicht in einer gesetzlichen Krankenversicherung. Seine Familie musste für Behandlungskosten aufkommen. Mehr als 10 000 Euro schickten sie ihm aus Jordanien nach Deutschland. „Inzwischen können sie mir nicht mehr helfen“, sagt er. Die Reserven sind aufgebraucht. Das Geld, das eigentlich für sein Studium gedacht war, hat die Krankheit verschlungen. Und die wirtschaftliche Lage im kleinen Jordanien ist auch durch den Krieg im benachbarten Syrien schlecht. „Unser Familienbetrieb bekommt seit einigen Jahren kaum noch Aufträge“, sagt er.
Sozialleistungen erhält Hassan Mahssere als ausländischer Student nicht. Doch jede Woche bekommt er teure Spritzen, er muss sich Kompressen und Cremes besorgen, und längst nicht alles zahlt die Krankenkasse. Inzwischen hat er mehrere Tausend Euro Schulden. Etliche Studentenjobs hat er begonnen, doch dann schlug die Krankheit wieder zu, und er musste sie abbrechen. Das Studentenwerk und die Leibniz-Uni unterstützen ihn; in der Mensa bekommt er einen „Freitisch“ – also eine tägliche warme Mahlzeit umsonst. Es sind kleine Lichtblicke in einem Alltag, der von der Krankheit gezeichnet ist.
Dabei kämpft Hassan Mahssere eisern um ein Stück Normalität; um eine Perspektive. Er versucht an Prüfungen teilzunehmen. „Nach den Weihnachtsferien will ich weitermachen, ich lerne viel“, sagt der Student und zeigt auf die Unterlagen auf seinem Schreibtisch. „Ich will Studieren, ich habe Ziele.“ Doch alle drei bis vier Monate stellen sich bei ihm große Entzündungen ein. „Besonders schlimm ist es im Sommer“, sagt er. Oft konnte er nicht in die Uni gehen, weil er im Krankenhaus lag. Dann konnte er nicht in Vorlesungen sitzen, weil er am Gesäß operiert werden musste.
Nach Jordanien kann er nicht zurück. „Dort gibt es kein Krankenhaus, in dem ich behandelt werden könnte“, sagt er. Er ist in Deutschland praktisch gestrandet. „Einmal war ich so krank, dass ich mich kaum bewegen konnte“, sagt Hassan Mahssere. Mehrere Wochen lang konnte er sein Wohnheimzimmer nicht verlassen. Er lebte dann von Leitungswasser, aß praktisch nichts – und war isoliert. „In der Zeit ist mein Deutsch wieder schlechter geworden“, sagt er. Das ist nur eine von vielen Nebenwirkungen dieser Krankheit, die einsam macht.