Ein neuer Fall: „Es reicht nicht hin und nicht her“

Peter W. und seine Frau Birgit sind schwer krank und benötigen Unterstützung – ein Fall für die HAZ-Weihnachtshilfe.

Peter W. und seine Frau Birgit sind schwer krank und benötigen Unterstützung – ein Fall für die HAZ-Weihnachtshilfe. Foto: Ditfurth

Für viele Menschen ist das Ende eines Jahres auch die Zeit, um Bilanz zu ziehen. Für Peter W.* fällt diese Rückschau alles andere als rosig aus. „Ich weiß nicht mehr, wie viel Zeit mir noch bleibt“, sagt er. Der 64-jährige ist seit etlichen Jahren schwer krank, er hat einen bösartigen Tumor im Gehirn, vor einem halben Jahr hat er begonnen, Metastasen zu streuen – in die Leber und auch ins benachbarte Gehirngewebe. „Böse Monster“ nennt seine Frau diese gefährlichen, wandernden Krebszellen.
Birgit W.* versucht, ihren Mann so gut es geht beizustehen, sie selbst ist aber ebenfalls auf Hilfe angewiesen. Die 49-Jährige ist an Multipler Sklerose erkrankt, seit Anfang des Jahres benötigt sie einen Rollstuhl. Beide beziehen schon seit Jahren Arbeitslosengeld II, um seine finanzielle Lage etwas zu verbessern, bemüht sich der 64-Jährige schon länger um eine Erwerbsminderungsrente. Seine Anträge wurden bisher jedoch dreimal abgelehnt. „Es reicht einfach nicht hin und nicht her“, stöhnt Peter W. über das knappe Budget und steigende Kosten, die keine Rücklagen erlauben. Sogar eine Fahrpreiserhöhung von 30 Cent pro Fahrkarte bringt ihn zur Verzweiflung. Dabei ist er auf häufige Fahrten aus der Umlandgemeinde, wo er lebt, zu Ärzten und Kliniken in die Landeshauptstadt angewiesen. Die täglichen Einkäufe kann er zum Glück zu Fuß erledigen.
Seine Garderobe ist alt und zerschlissen, das Mobiliar in der Wohnung hat viele Jahre auf dem Buckel. Eine Renovierung der Räume wäre ebenfalls nötig. Und eine dringend notwenige Leistenbruchoperation kann nicht mehr stattfinden, weil die Ärzte der Meinung sind, dass er eine Vollnarkose nicht mehr überstehen würde. Das Herz. Vielleicht sind all diese Umstände der Grund, weshalb Birgit und Peter W. ihr Wohnzimmer so üppig und liebevoll weihnachtlich geschmückt haben. Sie freuen sich über die Winterlandschaft mit der beleuchteten Kirche, den singenden Weihnachtsmann und den Elch, der auf Knopfdruck mit dem Geweih wackelt.
Peter W. wollte früh von zu Hause weg. Mit 14 Jahren hatte er sich ein Seefahrtsbuch besorgt, wollte zur See fahren. Seine Mutter fiel ob dieser Pläne aus allen Wolken und steckte ihn stattdessen in ein Heim. Als er es mit 17 Jahren verlassen durfte, bestand seine Familie darauf, den Wehrdienst bei der Bundeswehr abzuleisten. Anschließend sollte er eine Malerlehre beginnen. Er folgte dem Rat, brach sie aber nach zwei Jahren ab.
Seinen ersten Job trat er in einem großen hannoverschen Hotel an. Als Hausdiener schleppte er das Gepäck der Gäste, während großer Messen bezog er die Betten mit und half beim Servieren der Mahlzeiten. Bis zu 13 Stunden schuftete er in dem Haus, doch um eine Familie zu ernähren, reichte der Lohn von knapp 700 D-Mark nicht. Peter W., der damals zum ersten Mal geheiratet hatte, heuerte bei einem Wachdienst an. Diese Arbeit füllte ihn bald nicht mehr aus, er wechselte in die Industrie, wo er jahrelang am Band verschiedener Unternehmen stand, darunter in der Automatenherstellung. 1984 wurde er krank, litt unter asthmatischen Anfällen, die sich als Tumor im Hals entpuppten. Gutartig zum Glück. In den Folgejahren fand er beruflich keinen Anschluss mehr, sondern nur noch Jobs auf Zeit. „Heute bin ich ein Wrack“, sagt er.
Seine zweite Ehefrau, mit der er seit 20 Jahren verheiratet ist, arbeitete zunächst als Hauswirtschaftskraft und später als Stationshilfe in einem großen hannoverschen Krankenhaus. Nach einigen Jahren wechselte sie in die Gastronomie, war unter anderem für eine Fast-Food-Kette tätig. 2010 begannen ihre Gleichgewichtsstörungen, die Beine knickten immer häufiger weg, so dass sie mehrmals schwer stürzte. Ein Neurologe diagnostizierte Multiple Sklerose. Anfangs genügte noch ein Rollator, um sich fortzubewegen. Sie hat außerdem Arthrose in den Knien und leidet häufig unter starken Schmerzen am ganzen Körper. Eine Folge der vielen Schläge, die sie im Kindesalter durch ihre Mutter erleiden musste, vermutet Birgit W.
Eine Pflegestufe wurde bei ihr bisher abgelehnt mit der Folge, dass viele Hilfsmittel, aber auch ein fest montierter Sitz in der Dusche oder eine Toilettensitzerhöhung, nicht von der Krankenkasse übernommen werden. „Wir wüssten auch nicht, wovon wir das bezahlen sollen“, sagt die 49-Jährige. Dabei wäre dies ebenso erforderlich wie der Umbau des Badezimmers, damit die Dusche barrierefrei befahren werden kann. 3500 Euro würde das kosten, hat der Vermieter errechnet. Außerdem benötigt das Paar dringend ein höheres Bett, da beide aufgrund ihrer Erkrankungen Schwierigkeiten beim Ein- und Aussteigen haben. Ihr altes Ehebett ist viel zu niedrig und völlig durchgelegen.
Lange Zeit haben sie versucht, ihr Leben eigenständig zu meistern. Bis es nicht mehr ging. Jetzt haben sie sich an die städtische Beratungsstelle ihres Wohnorts im Umland von Hannover gewandt. Ein Sozialarbeiter will sich nun erst einmal darum kümmern, dass Birgit W. erneut vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung begutachtet wird – mit dem Ziel einer Pflegestufe. Anschließend will er der Frage nach der Erwerbsminderungsrente für Peter W. nachgehen. All dies wäre ein Anfang.
*Namen geändert

Von Veronika Thomas

 

Author: Jan Sedelies

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