Um ihren schwerstbehinderten Sohn weiter versorgen zu können, muss Familie K. ihr Haus rollstuhlgerecht umbauen.
Bei Familie K. dreht sich fast alles um Dennis*. Der Elfjährige ist seit einer Hirnhautentzündung, an der er im Säuglingsalter erkrankte, ein Pflegefall. Er ist geistig und körperlich schwerstbehindert und aufgrund einer Muskelschwäche nahezu bewegungsunfähig. Laufen oder krabbeln kann er nicht. Entweder sitzt er in seinem speziell angepassten Rollstuhl, oder er muss liegen. Seine schweren Behinderungen sind nun der Grund, weshalb die Familie Mitte Dezember umzieht – aus einem kleinen Reihenhaus im Umland Hannovers in ein Haus, das sich zumindest rollstuhlgerecht umbauen lässt.
Dennis’ Krankheit begann im März 2005. Seine Eltern waren mit seinen damals sieben und elf Jahre alten Geschwistern gerade in das Reihenhaus gezogen und steckten mitten in den Renovierungsarbeiten. An einem Sonntag bekam das damals sechs Monate alte Baby Fieber. „Ganz normal, 38 Grad“, erzählt seine Mutter. Am nächsten Tag, das Fieber war nicht zurückgegangen, ging Elena F. zu einer Kinderärztin; diese konnte aber nichts Ernstes feststellen. Am Tag darauf war das Fieber schon auf 39 Grad gestiegen, „und der Kleine hat ganz komisch geguckt, ganz starr. Da habe ich Angst bekommen“, sagt die 41-Jährige, als wäre es gestern gewesen. Dennis kam in das nächstgelegene Krankenhaus, wo bei ihm eine Hirnhautentzündung, ausgelöst durch Pneumokokken, festgestellt wurde. Unfassbar für die Eltern, denn das Kind war dagegen geimpft.
„Danach fiel Dennis für zwei Wochen in eine Art komatösen Schlaf“, erzählt seine Mutter. Schon in der Klinik wurde die Familie darauf vorbereitet, dass ihr Kind nie mehr richtig gesund werden, sondern schwerste Behinderungen davontragen würde. Für die Familie ein Schock. Das gerade erworbene Haus glich einer Baustelle, während Elena K. mit ihrem Sohn viele Monate in einer Rehabilitationseinrichtung zubringen musste. „Die beiden anderen Kinder waren ja auch noch klein und brauchten mich“, erzählt sie. Ihr Mann war als Schlosser beruflich voll eingespannt.
Seit seinem dritten Lebensjahr besucht der ertaubte und sehbehinderte Dennis das Taubblindenzentrum in Hannover. In der dortigen Schule wird er intensiv gefördert und bekommt unter anderem Schwimmunterricht, Krankengymnastik und Ergotherapie. Morgens um 7 Uhr wird er abgeholt, gegen 15 Uhr ist er wieder zu Hause. In der übrigen Zeit wird der mittlerweile 35 Kilogramm schwere Junge vorwiegend von seiner Mutter versorgt. Er muss gewindelt und gefüttert werden, sein Essen wird püriert, egal ob es Salat, Marmeladenbrot, Gegrilltes oder Reis mit Huhn gibt. Ein Arzt hat Frau K. zwar längst zu einer Magensonde geraten, weil dadurch Zeit eingespart würde. „Aber das möchte ich nicht, Dennis soll so lange wie möglich richtiges Essen bekommen und alles ausprobieren“, sagt sie. Überhaupt: Die Familie, zu der auch Dennis’ heute 17-jährige Schwester und der 21-jährige Bruder gehören, hat gelernt, mit seinen Behinderungen zu leben. „Er ist immer mittendrin, und wir nehmen ihn auch überallhin mit“, erzählt die Mutter. „Wir verstecken ihn nicht.“ Am Anfang sei es allerdings sehr schwer gewesen. „Da habe ich jeden Tag geweint.“
Bis Dennis ins Bett gebracht wird, bleibt er meistens im Wohnzimmer, im Erdgeschoss. Um ihn in sein Zimmer oder ins Bad zu bringen, muss Elena K. ihn über Treppen in die erste Etage tragen. „Das wird immer anstrengender, weil er immer schwerer wird“, sagt sie. Deshalb war die Familie schon seit Jahren auf der Suche nach einer behindertengerechten Wohnung oder einem Haus. Jetzt ist sie fündig geworden; vom Verkauf des alten konnte das neue, in den Dreißigerjahren errichtete Haus bezahlt werden. Es ist zwar nicht barrierefrei, lässt sich aber entsprechend umbauen, denn im Erdgeschoss ist Platz für Küche, Bad, Wohn- und Kinderzimmer – und einen mobilen Lifter, um Dennis kraftsparend von Raum zu Raum zu transportieren.
Laut einem Wohnberater der Region Hannover sind dafür etliche Umbauten notwendig, darunter der Eingangsbereich des Hauses und das Bad. Außerdem müssen für Dennis’ Rollstuhl Zimmertüren verbreitert und der Fußboden auf ein einheitliches Niveau gebracht werden. Etwa 4000 Euro wird die Pflegekasse übernehmen, ein Antrag an die Eingliederungshilfe ist ebenso gestellt worden wie an verschiedene Stiftungen und karitative Einrichtungen. All dies wird aber nicht reichen, um den behindertengerechten Umbau realisieren zu können. Deshalb benötigt Familie K. weitere Hilfe. Denn auch der Kredit für das Reihenhaus ist noch nicht ganz abbezahlt. „Als wir das Haus gekauft haben, wollte ich gleich wieder arbeiten, sobald Dennis in den Kindergarten gehen konnte“, sagt Elena K., eine gelernte Einzelhandelskauffrau. „Aber leider ist alles ganz anders gekommen.“
Zurzeit bekommt sie ihren Mann kaum noch zu Gesicht. In jeder freien Minute renoviert er die Räume im Obergeschoss des neuen Hauses, jeden Tag bis etwa 22 Uhr. „Damit wir überhaupt erst mal einziehen können“, sagt die 41-Jährige. Das Wichtigste für die Familie aber ist, dass Dennis so lange es geht zu Hause wohnen kann. Ihn irgendwann einmal in professionelle Pflege zu geben ist für alle unvorstellbar.
*Alle Namen geändert