Um auch ihre schwerstbehinderte Tochter transportieren zu können, benötigt Familie R. einen umgebauten Kleinbus
Das ganze Leben von Familie R. kreist um Frida. Die heute Zehnjährige kam mehrfach behindert zur Welt, wie schwer, das zeigte sich erst im Lauf der Jahre. „Es wird alles schlimmer, je älter sie wird“, sagen ihre Eltern, die insgesamt vier Töchter im Alter von fünf bis 16 Jahren haben.
So schlimm ist es inzwischen, dass Frida zu Hause 24 Stunden am Tag von Pflegekräften eines Intensivpflegedienstes betreut wird. Trotzdem ist die Familie um möglichst viel Normalität bemüht. „Wir würden mit Frida gern mehr unternehmen, mit ihr auch mal in den Zoo, in das Wisentgehege oder einfach mal zu Verwandten fahren, gemeinsam als Familie“, sagt ihre Mutter Stephanie R. Doch mit ihrem Auto kann die Familie Frida nicht mehr transportieren, dafür ist der Wagen längst zu klein. Jetzt spart die Familie auf einen behindertengerecht umgebauten Transporter, in dem nicht nur Frida mitsamt Rollstuhl und eine Pflegerin Platz hätten, sondern auch ihre Eltern und Geschwister. Solch eine Anschaffung aber übersteigt die finanziellen Möglichkeiten der Familie.
„In der 33. Schwangerschaftswoche haben wir erfahren, dass mit Fridas Gehirn irgendetwas nicht stimmte“, erzählt ihr Vater Stefan R. Genaueres konnten die Ärzte nicht sagen. Anfangs konnte ihr Kind, das blind und mit einer seltenen Fehlbildung des Gehirns geboren wurde, noch selbstständig trinken. „Ich habe sie mehr als ein halbes Jahr gestillt“, sagt ihre Mutter. Zweieinhalb Jahre versorgten die Eltern ihr gelähmtes und blindes Kind allein, bis sie psychisch und physisch am Ende ihrer Kräfte waren. „Als Frida klein war, war alles noch viel einfacher. Aber wegen der epileptischen Anfälle konnte ich nachts kaum schlafen, weil ich immer Angst hatte, dass sie mir wegbleibt“, sagt Stephanie R. Ihr Ehemann, ein Vertriebsingenieur, kann seitdem nur noch in Teilzeit arbeiten, sonst würde Fridas Versorgung und die ihrer drei Schwestern nicht funktionieren. Stephanie R. hilft stundenweise in einem kleinen Laden aus, um zusätzlich etwas zum Familieneinkommen beizutragen.
Frida ist inzwischen 1,40 Meter groß und wiegt 32 Kilogramm, selbstständig bewegen kann sie sich nicht. Sie ist gelähmt, leidet unter plötzlich einschießenden Spastiken, täglichen Krampfanfällen. Atmen kann sie nur über eine Kanüle in der Luftröhre, ein sogenanntes Tracheostoma. Ihre Atemwege müssen bis zu 20-mal am Tag abgesaugt werden. Weil Frida schon lange nicht mehr schlucken kann, wird sie über eine Magensonde ernährt. „Ich koche für sie und püriere ihr Essen“, erzählt ihre Mutter. Wie alle anderen Familienmitglieder bekommt Frida auch selbst gemixte Smoothies – per Magensonde. „Abends gebe ich ihr manchmal eine pürierte Scheibe Brot mit Quark oder Frischkäse, damit sie ganz normales Essen schmecken kann und keine Sondenkost.“
Die Zehnjährige wird täglich ins Landesbildungszentrum für Blinde gefahren, wo sie eine spezielle Klasse für blinde Kinder mit geistiger Behinderung besucht. Dort erhält Frida regelmäßige Therapien wie Krankengymnastik, Massagen, Ergo- und Logopädie. Den Transport, auch zu Ärzten, übernimmt das DRK mit einen Krankenfahrzeug, in das das Kind mitsamt Rollstuhl hineingefahren werden kann. Außerdem ist es notwendig, dass ständig eine Pflegerin neben ihr sitzt, um ihre Atemwege abzusaugen, Medikamente und bei Bedarf auch Sauerstoff zu verabreichen. „Wir schaffen es nicht mehr, Frida in unserem Auto zu transportieren“, erklärt Stefan R. „Sie ist inzwischen so groß und gleichzeitig so unbeweglich geworden, dass nicht nur für unser Kind, sondern auch für meine Frau und mich die Gefahr besteht, uns zu verletzten.“ Schwierig sei es mittlerweile auch geworden, den speziell angepassten Rollstuhl so auseinanderzubauen, dass er in einen normalen Kombi passt. Um Frida überhaupt bewegen zu können, hat die Familie einen Lifter angeschafft. Damit können auch die Pflegerinnen das Kind vom Bett zum Rollstuhl oder auf eine spezielle Therapieliege hieven.
So spielt sich das Leben der Familie hauptsächlich zu Hause ab. Frida liebt die Sonne, weshalb sie, sooft es eben geht, im Garten sitzt. „Sie in ein Heim zu geben wäre für uns nie infrage gekommen“, erzählt Stephanie R. Dabei haben die Behörden der Familie genau dazu geraten. „Frida braucht unsere Stimmen, unsere Nähe, das Kuscheln mit uns“, erklärt ihre Mutter und streichelt sanft das Gesicht ihrer Tochter. Stephanie R. weiß, dass ihr krankes Kind über das Gehirn zwar kaum etwas wahrnehmen kann, „aber Frida reagiert wie ein Seismograf auf Schwingungen“.
Wohl auch deshalb liebt sie Musik, vor allem klassische. Manchmal setzen ihre Eltern auf das Tracheostoma, über das das Kind atmet, eine Art Sprachventil. „Dann kann man manchmal hören, wie sie gluckst. Dann fühlt sie sich wohl“, meint Stephanie R. Fridas jüngste Schwester, Tara Mo, geht völlig unbefangen mit ihr um, sie singt ihr Lieder vor oder erzählt ihr Geschichten. Außerdem liebt Frida Nino, den Hund der Familie. „Sie findet es toll, wenn er auf ihren Schoß springt und ihre Hände leckt“, erklärt ihre Mutter. „Selbst wenn sie nicht sprechen kann, wir spüren auch so, wenn es Frida gut geht.“
Zweimal im Jahr kann sich Familie R. eine Auszeit nehmen. Für 28 Tage im Jahr übernimmt die Pflegekasse die Kosten für Fridas Aufenthalt im Kinderhospiz Löwenherz in Syke. Die Familie teilt sich diese Zeit auf, um zweimal für zwei Wochen im Jahr gemeinsam zu verreisen. „Wir brauchen das einfach, um mal Luft holen zu können“, sagt Stephanie R. fast entschuldigend. Im Kinderhospiz wissen sie Frida bestens aufgehoben.
Jetzt hofft Familie R. auf die HAZ-Weihnachtshilfe, um vielleicht demnächst schon gemeinsam mit Frida und einer begleitenden Kinderpflegerin zu Ausflügen in die nähere Umgebung aufzubrechen – wenigstens für ein paar Stunden.
Von Veronika Thomas